Der Freiheits-Schwindel
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Milchmädchenrechnungen reicher Erben
Neoliberalismus ist die Bezeichnung für eine Milchmädchenrechnung reicher Erben, durch Zinseszins ihre Vermögen risikolos und ohne eigene Anstrengungen vervielfachen zu können.
Jeder kennt aus der Schule den Zinseszins, dass also die jährlichen Zinserträge des Geldes wieder zum gleichen Zinssatz angelegt werden und somit das Geldvermögen rasant wächst. Bei einem Zinssatz von 7% würde sich das Geldvermögen alle 10 Jahre verdoppeln, bei einem Zinssatz von 10% sogar schon alle 7 Jahre. Mit diesen beiden Zahlen kann der sein Leben als Kuponschneider faulenzende reiche Erbe sich sein wachsendes Vermögen leicht ausrechnen: Wenn er mit 20 Jahren und einer geerbten Million anfängt, hat er bei 7% Zinseszins im Alter von 30 Jahren bereits 2 Millionen, mit 40 Jahren sind es 4 Millionen, mit 50 Jahren 8 Millionen, im Alter von 60 Jahren stolze 16 Milionen (also in 40 Jahren ohne Arbeit bis zur Rente mit 60 schon 15 Millionen verdient). Lassen wir den reichen Erben noch länger leben, hat er mit 70 Jahren berauschende 32 Millionen, mit 80 Jahren deren 64 Millionen und bei seinem Tod mit 90 Jahren kann er seinen Kindern und Enkeln gewaltige 128 Millionen vererben. Also würden durch den Zinseszins von 7% in 70 Jahren aus jeder Million deren 128 Millionen und das ganz ohne eigene Arbeit und Mühe.
Wenn es nur die verdammte Inflation nicht gäbe, dass also die 128 Millionen nach 70 Jahren nur noch die Kaufkraft der 1 Million vor 70 Jahren haben. Darum ist die Bekämpfung der Inflation durch den Goldstandard oder anders künstlich knapp gehaltenes Geld das große Thema aller Neoliberalen, mit dem sie, wie aktuell gerade Markus Krall, Begeisterungsstürme unter reichen Erben für die Lehren der Mises, Hayek und Ayn Rand auslösen.
Bei einer realen Rendite von 10% würde sich der ererbte Reichtum sogar alle 7 Jahre verdoppeln. Mises und Hayek haben ihren begeisterten Lesern nämlich durch knappes Geld fallende Preise um etwa 3% jedes Jahr versprochen, womit wir aus den 7% Nominalzins und den 3% Deflation einen Realzins von 10% erhalten. Aus jedem ererbten Haus würden alle 7 Jahre 2 Häuser, nach 70 Jahren könnte der reiche Erbe aus jedem seiner ererbten Häuser seinen Kindern und Enkeln deren 1024 Häuser hinterlassen.
Damit ist bereits die ganze Faszination des Neoliberalismus von Mises und Hayek mit ihrer Ayn Rand für unsere reichen Erben erklärt. Damit diese Milchmädchenrechnung nicht platzt, braucht es nur noch die Lügen der VWL-Professoren über den angeblichen Kapitalmangel der Ökonomie und wie dringend die Wirtschaft noch mehr Kapital brauche.
Ohne den von der VWL erlogenen Kaptalmangel wäre jedem sofort klar, wie die Geschichte von dieser Verhundert- oder gar Vertausendfachung des Vermögens der reichen Erben nur durch den Zinseszins enden muss: In mehreren mörderischen Wirtschafts- und Finanzkrisen!
Ohne Kapitalmangel in der Wirtschaft müssten für jeden reichen Erben, der sein Vermögen retten und mehren kann, andere 99 oder gar 999 reiche Erben alles verlieren. Denn hundert oder gar tausend Häuser als Rendite aus jedem geerbten Haus brauchen die Völker nicht.
Vor allem dann, wenn die Armen, die kein Haus geerbt haben und im Alter von 20 Jahren auch ein Haus für Frau und Kinder brauchen, den reichen Erben bei ihrem Tod mit 90 Jahren sagenhafte 128 Häuser oder bei Deflation der Preise sogar deren 1024 Häuser als Miete mit Zinseszins mit ihren Kindern und Enkeln neu gebaut übergeben müssten.
Diese Milchmädchenrechnung erzeugt die gesamte Ideologie und Inbrunst des Neoliberalismus. Warum die reichen Erben möglichst noch durch eine Goldwährung knapp gehaltenes Geld mit möglichst hohen Zinsen und sinkenden Preisen fordern und jede Geldschöpfung durch Fiat Money und die böse Staatsverschuldung untersagen wollen.
So einfältig dumm das alles ist, mehr ist Neoliberalismus nicht.
Die Entwicklung von Produktivität und Löhnen
In nur 25 Jahren keynesianischer Politik von 1948-73 kam es zu einer Steigerung der Produktivität der Arbeit um 96,7% und einer Erhöhung der Reallöhne um 91,3%.
1973/74 war die erste sogenannte Ölkrise, die aber nicht vom Ölpreis, sondern durch die Hochzinspolitik der Notenbanken verursacht war. Damals wurde die keynesianische Politik beendet und die
Monetaristen und Neoliberalen bestimmen seitdem bis heute die Geld-, Finanz- und Gesellschaftspolitik.
Das Ergebnis waren mehrere Wirtschaftskrisen, Millionen an Erwerbslosen und die Stagnation der Löhne.
Unter der Herrschaft der Monetaristen und Neoliberalen kam es in den 41 Jahren bis 2014 gerade noch zu einem Anstieg der Produktivität je Arbeitsstunde von 72,2%, die Reallöhne der Arbeiter stiegen nur noch um 9,2%. Die Löhne stagnieren praktisch seit vier Jahrzehnten neoliberaler Herrschaft.
Der Neoliberalismus und die angloamerikanischen Netzwerke
Der Siegeszug des Neoliberalismus begann in den 70er Jahren in Chile, Argentinien und anderen Staaten der Dritten Welt, vor allem in Lateinamerika. Europas Linke und Jugend war über den von der CIA inszenierten Militärputsch in Chile entsetzt und protestierte nicht zuletzt gegen die sogenannten Chicago-Boys in Chile, die ermuntert von Milton Friedman mit dem Diktator Pinochet den freien Markt ihrer Träume schufen. Man lese zu Chile und den Verheerungen der Wirtschaftspolitik der Neoliberalen besonders André Gunder Frank. Wie in Chile sorgten dann auch in Argentinien Militär und Polizei mit Folter und Mord für das Verstummen jeder Opposition aus der Gewerkschaftsbewegung, den Kreisen der Befreiungstheologen und nicht zuletzt der an Keynes orientierten ökonomischen Theoretiker gegen die neoliberale "Reformpolitik".
Der kanadische Professor für Wirtschaftswissenschaft Michel Chossudovsky, bekannt durch seine globalisierungskritischen Publikationen, hat damals die Ereignisse miterlebt. Auszug aus seinem Bericht im Internet:
The Way to the New World Order
Shameless exploitation and shameless dictatorship
Barely a few weeks after the military coup in Chile on September 11, 1973, overthrowing the elected government of President Salvador Allende, the military Junta headed by General Augusto Pinochet ordered a hike in the price of bread from 11 to 40 escudos, a hefty overnight increase of 264%. This economic shock treatment had been designed by a group of economists called the “Chicago Boys”.
At the time of the military coup, I was teaching at the Institute of Economics of the Catholic University of Chile, which was a nest of Chicago trained economists, disciples of Milton Friedman. On that September 11, in the hours following the bombing of the Presidential Palace of La Moneda, the new military rulers imposed a 72-hour curfew. When the university reopened several days later, the “Chicago Boys” were rejoicing. Barely a week later, several of my colleagues at the Institute of Economics were appointed to key positions in the military government.
While food prices had skyrocketed, wages had been frozen to ensure “economic stability and stave off inflationary pressures.” From one day to the next, an entire country was precipitated into abysmal poverty: in less than a year the price of bread in Chile increased thirty-six times and eighty-five percent of the Chilean population had been driven below the poverty line.
These events affected me profoundly in my work as an economist. Through the tampering of prices, wages and interest rates, people’s lives had been destroyed; an entire national economy had been destabilized. I started to understand that macro-economic reform was neither “neutral” – as claimed by the academic mainstream – nor separate from the broader process of social and political transformation. In my earlier writings on the Chilean military Junta, I looked upon the so-called “free market” as a well-organized instrument of “economic repression”.
Two years later in 1976, I returned to Latin America as a visiting professor at the National University of Cordoba in the northern industrial heartland of Argentina. My stay coincided with another military coup d’état. Tens of thousands of people were arrested and the Desaparecidos were assassinated. The military takeover in Argentina was a “carbon copy” of the CIA-led coup in Chile. Behind the massacres and human rights violations, “free market” reforms had also been prescribed – this time under the Supervision of Argentina’s New York creditors.
Wenige Jahre später ab 1979/80 übernahmen die Neoliberalen, die vorher nur für eine besonders brutale Geißel zur verstärkten Ausbeutung der Dritten Welt, aber nicht für eine ernste Bedrohung der sozialen Errungenschaften in den Industriestaaten gehalten wurden, in den USA unter Ronald Reagan, in Großbritannien unter Margaret Thatcher und im angloamerikanisch kontrollierten Westeuropa das Kommando über die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik.
Seitdem gibt es viele Vermutungen, welche geheimnisvollen Kräfte sich des Neoliberalismus für ihre noch geheimnisvolleren Zwecke bedienen. Es könnten die Freimaurer sein oder die Illuminaten, die Rockefellers oder die Morgans oder gar die Rothschilds, so wird von vielen Seiten gemunkelt. Dass der gewaltige weltweite politische Einfluss der Neoliberalen nicht auf der Überzeugungskraft ihrer Argumente und nicht auf Erfolgen ihrer Politik beruhen kann, ist kaum zu übersehen. Selbstverständlich braucht es zur Durchsetzung einer derart brutalen Politik gegen die ganz grundlegenden Interessen der breiten Bevölkerung in allen Staaten der Erde entsprechende Machtmittel und die dafür nötige Organisation. Diese lassen sich aber nicht in obskuren Zirkeln von bis heute unentdeckten Verschwörern finden, sondern in den ganz bekannten Organisationen der den Erdball heute beherrschenden Staaten.
Der Weg in die Knechtschaft der globalen Finanzoligarchie
In den folgenden Darstellungen und Links werden Sie sehen, dass die Ökonomen der Österreichischen Schule von Anfang an ein Teil des angloamerikanischen politischen Netzwerkes waren, mit dem das GB und die USA beherrschende Großkapital (Rockefeller/Morgan etc.) Einfluss auf Kontinentaleuropa nahm. Später waren die Chicago-Boys von Milton Friedman (in Lateinamerika zur Zeit des polnischen Papstes ganz entscheidend vom Opus Dei unterstützt) ein zentrales Werkzeug der globalen Weltpolitik dieser vor allem auf die USA gestützten Hochfinanz für Lateinamerika und die Dritte Welt und dann auch für die ehemaligen Ostblockstaaten, die asiatischen Industriestaaten und China. Zu diesem Thema ist besonders lesenswert Die Schock-Strategie von Naomi Klein.
Jeder Keynesianer sollte also wissen, mit welchen Gegnern er es hier zu tun hat und warum ökonomische Argumente da nicht so sehr überzeugen werden.
Die Österreichische Schule der Ökonomie
Die Austrian Economics baut auf der angloamerikanischen Klassik und Neoklassik mit Ricardo und Say auf. Als ihr erster Vertreter gilt der 1840 in Galizien geborene Carl Menger, der in den 1860er Jahren erst als Journalist für die „Lemberger Zeitung“ und später für die „Wiener Zeitung“ schrieb. Menger habilitierte 1872 in Wien bei Lorenz von Stein, der 1852 seine Professur in Kiel aus politischen Gründen wegen seiner Betätigung für die Frankfurter Nationalversammlung 1848 verloren hatte und ab 1855 für dreißig Jahre in dem den Preußen feindlich gesinnten Wien als ordentlicher Professor wirkte.
Carl Menger lehrte in Wien seit 1873 als außerordentlicher Professor, war 1876-78 ein Lehrer des Kronprinzen Rudolf und erhielt von 1879 bis 1903 eine ordentliche Professur für Politische Ökonomie und Statistik in Wien. Er wurde der geistige Vater der Grenznutzenschule in Österreich, die sich darauf kaprizierte, den Wert eines Gutes aus dem subjektiven Nutzen der jeweils letzten Einheit für den jeweiligen Betrachter zu bestimmen.
Ein kurzer Blick auf das tägliche Geschehen an der Börse hätte die Theorie vom maßgeblichen Einfluss des Grenznutzens auf die Preisbildung eigentlich auf der Stelle erledigt haben müssen, aber ökonomische Lehren dienen politischen Zwecken und wirtschaftlichen Interessen und sind dafür gegen rationale Einwände erhaben. In witziger Weise behauptet das englische Wiki, dass seine Börsenkenntnisse als Journalist Menger von der Grenznutzentheorie überzeugt hätten:
During the course of his newspaper work he noticed a discrepancy between what the classical economics he was taught in school said about price determination and what real world market participants believed. In 1867 Menger began a study of political economy which culminated in 1871 with the publication of his Principles of Economics (Grundsätze der Volkswirtschaftslehre), thus becoming the father of the Austrian School of economic thought. It was in this work that he challenged classical cost-based theories of value with his theory of marginality.
Dabei kann die sogenannte „marginalistische Revolution“ in der Ökonomie ganz sicher nichts zur Klärung schwankender Börsenkurse und Weltmarktpreise beitragen. Offensichtlich verfolgte die Theorie von der Bedeutung des Grenznutzens für die Preisbildung den Zweck, die Studenten der Ökonomie vom Blick auf die Börse abzulenken. Dort wäre ja gleich zu sehen gewesen, dass es jedenfalls nicht der Grenznutzen ist, der die Preisbildung bestimmt, sondern die kunstvollsten Strategien der Spekulanten. Dann hätte es auch Diskussionen an der Universität geben können, die wenig wohlstandsfördernden Einflüsse der Spekulanten einzudämmen. Mit dem Blick auf den individuellen Grenznutzen einzelner Konsumenten war das gefährliche Thema der Börseneinflüsse auf die Preise und deren negative Folgen vom Tisch.
Vermutlich war Menger sehr tief in die politischen Vorgänge seiner Zeit verstrickt und zog sich depressiv schon 1903 ins Privatleben zurück. Man lese den Text im deutschen Wiki etwas zwischen den Zeilen, denn es war wohl der ökonomische Erfolg Deutschlands, der es in Konflikt mit dem britischen „Liberalismus, Freihandel und Kapitalismus“ brachte und das britische Empire den Krieg gegen Deutschland und Österreich vorbereiten ließ, was Menger durch seine Verbindungen wissen musste:
Mengers zunehmender Pessimismus über das österreichische, deutsche und europäische Bildungssystem und die politischen Verhältnisse brachte ihn 1903 dazu, seine Lehrtätigkeit aufzugeben und sich ins Privatleben zurückzuziehen. 1911 lernte er noch Ludwig von Mises kennen, der sein Werk fortsetzte und den er sehr schätzte. Auch diese Freundschaft konnte Mengers Depressionen aber nicht mindern. Er hielt die allgemeine Abkehr von Liberalismus, Freihandel und Kapitalismus für einen Weg ins Verderben und sah sich durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs darin bestätigt. Fast völlig unbeachtet starb er 1921 in Wien …
Der dabei weniger kränkelnde Ludwig von Mises dürfte also schon 1911 von Menger die guten Verbindungen zum britischen „Liberalismus, Freihandel und Kapitalismus“ übernommen und fortgesetzt haben.
Die grenzwertige Betrachtung reicherten Walras in Lausanne und Marshall in Cambridge mit Gleichgewichtsmodellen und komplizierten mathematischen Kurven und Formeln an. In Cambridge wurde die Grenzproduktivitätstheorie erfunden, die nicht nur den Grenznutzen des letzten Produkts betrachtete, sondern auch die Grenzkosten bei der Produktion des letzten Produkts. Da konnte man schöne Kurven zeichnen, wie sich die steigende Grenzkostenkurve mit der sinkenden Grenznutzenkurve im Gleichgewicht des Marktes auf der Schiefertafel im Hörsaal schneidet. Genauer besehen handelt es sich allerdings um nichts als die uralte Geschichte von Angebot und Nachfrage, wobei der Grenznutzen nur subjektiv ist und die wissenschaftliche Erkenntnis darin besteht, dass der letzte Käufer sich eben einen Nutzen verspricht, der höher ist, als der des Geldbetrages oder eines anderen Gutes zum gleichen Preis. Die Käufer kaufen also, weil sie kaufen wollen. Die steigende Grenzkostenkurve ist die alte Angebotskurve und die fallende Grenznutzenkurve ist die alte Nachfragekurve. Die Grenzkosten bringen gegenüber der alten Produktionskostentheorie von Ricardo, der den Grenzertrag unterschiedlicher Böden zur Herleitung der Bodenrente verwendet hat, auch keine neue Erkenntnis. Wir wissen also immer noch nicht, warum die Güter das kosten, was sie kosten; warum es jetzt keine Grenzkäufer gibt, die bereit wären, zum Beispiel den doppelten Preis zu zahlen, was dann Grenzproduzenten veranlassen würde, noch bei steigenden Kosten bis zum doppelten Preis zu produzieren. Der Preis ist so hoch, weil er so hoch ist, lautet die Erkenntnis dieser Wissenschaft.
Jeder Blick auf Börsencharts über einen längeren Zeitraum mit stark schwankenden Preisen für Weizen, Erdöl, Eisen oder gar die berüchtigten Schweinebäuche mit dem Schweinezyklus hätte die Preistheorie auf der Basis von Grenznutzen und Grenzkosten gnadenlos gesprengt.
Im Wiener Seminar von Prof. Böhm-Bawerk
Eugen Böhm Ritter von Bawerk (1851-1914), in der Literatur meist als Eugen von Böhm-Bawerk, war zwischen 1895 bis 1904 dreimal Finanzminister in Österreich und bekam anschließend einen Lehrstuhl an der Universität Wien. Er heiratete 1880 die Schwester seines Jugendfreundes Friedrich von Wieser, der als Vertreter der neoklassischen Grenznutzenlehre zusammen mit Carl Menger und seinem Schwager Böhm-Bawerk ein Vorläufer der Austrian Economics wurde. Der Schwiegervater von Böhm-Bawerk war Hofrat im österreichischen Kriegsministerium, späterer Geheimrat und Sektionschef des Gemeinsamen Rechnungshofes; der Krieg zwischen Preußen und Österreich 1866 dürfte die anglo-österreichische Freundschaft angebahnt haben. Die Welt der Agentenringe oder Verbrechersyndikate ist klein und alle Beteiligten kennen sich lange bevor sie (von ihren Organisationen) als große Denker und Wissenschaftler berühmt (gemacht) werden.
Als österreichischer Finanzminister hatte sich Böhm-Bawerk immer für den Haushaltsausgleich und die strikte Einhaltung der Golddeckung eingesetzt, also für das Abwürgen der Konjunktur durch die Geldpolitik, genau wie später alle Austrians. Im Streit, ob die Löhne durch das Machtverhältnis zwischen Unternehmern und Arbeitern, die Ansicht der preußischen Historischen Schule, oder durch Angebot und Nachfrage bestimmt wurden, vertrat Böhm-Bawerk die marktideologische Position. Heute ist von seinem Werk meist nur noch seine Kritik an der Werttheorie des Karl Marx bekannt, dem er die Ehre einer "wissenschaftlichen" Entgegnung verschafft hat.
Wichtiger als Böhm-Bawerk sind heute seine Schüler, wie etwa der Joseph Schumpeter. In einer Schumpeter-Biographie erfahren wir,
“den stärksten Einfluß übte jedoch Eugen v. Böhm-Bawerk (1851–1914) aus, in dessen Seminar im Sommer 1905 Otto Bauer,
Rudolf Hilferding, Emil Lederer, Ludwig v.
Mises und Felix Somary zu S.s Kommilitonen zählten und der S. veranlaßte, sich v. a. mit der Zins- und Kapitaltheorie, der
Konjunkturtheorie und der Marxschen Lehre auseinanderzusetzen”.
http://www.deutsche-biographie.de/sfz106815.html
Da haben wir also den “Marxisten” Hilferding neben dem “Neoliberalen” Mises und dem Ideologen der “schöpferischen Zerstörung” Schumpeter, den Erfinder des "Austro-Marxismus" Otto Bauer, das Mitglied (zusammen mit Schumpeter und Hilferding) der deutschen "Sozialisierungskommission" von 1919 Emil Lederer und den berühmten Bankier Felix Somary, der im Ersten Weltkrieg als Berater der Mittelmächte tätig war, zum Kriegsende die Effekten der Rothschilds aus Wien in die Schweiz verbrachte und die Große Depression schon 1926 "vorhergesagt" hatte, im Seminar von Böhm-Bawerk im Sommer 1905 und anschließend sicher beim Heurigen an einem Tisch.
Und später finden wir sie alle vereint am Werk mit der Großen Depression. Schumpeter als Ideologen der „schöpferischen Zerstörung“, Mises als Ideologen der Deflation, Hilferding in der SPD gegen Woytinskys Beschäftigungs- und Kreditschöpfungspolitik und Emil Lederer, der die Arbeitslosigkeit 1931 mit dem technischen Fortschritt erklären wollte:
Die verheerenden Wirkungen, die der technische Fortschritt nach sich ziehen kann, und zwar um so mehr, je wirksamer er die Erzeugungskapazität steigert, machen die gesellschaftliche Zügelung der technischen Entwicklung zu einer Lebensfrage der europäischen Nationen. (S. V)
Die Analyse der kapitalistischen Wirtschaft der Gegenwart entrollt ein düsteres Bild. Das rasende Tempo technischer Umwälzungen zersprengt das Gefüge des Produktionskörpers. Die kapitalistische Dynamik ist nicht nur "Entwicklung", sondern zugleich Zerstörung. Arbeiter und Angestellte halten die Maschinerie in Gang, deren Opfer sie zugleich werden. (S.VI)
Emil Lederer, Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit, Mohr 1931
Der Methodenstreit der Nationalökonomie
In Deutschland beherrschte seit der Reichsgründung 1871 die Historische Schule die Universitäten bis zur Niederlage im Ersten Weltkrieg und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie durch die Angloamerikaner völlig ausgelöscht. Die deutsche Historische Schule war der Ansicht, dass nicht der Modellbau und die Zirkelschlüsse aus den Annahmen über Gesetze der Ökonomie das ökonomische Denken bestimmen dürften, sondern die auf historische und gesellschaftliche Untersuchungen gestützte Beschreibung der tatsächlichen Vorgänge und Zusammenhänge.
Das scheint auf den ersten Blick ganz vernünftig, bringt aber auf jeden weiteren Blick zum Beispiel geldpolitisch verursachte Wirtschaftskrisen in den Mittelpunkt der interessierten Betrachtung und deren Ursachen und Hintergründe an die breite Öffentlichkeit. Vermutlich war dies den deutschen Ökonomen noch gar nicht so klar, als Gustav von Schmoller eine Untersuchung Mengers über die Methoden der politischen Ökonomie kritisierte, worauf dieser 1884 mit seiner Schrift „Irrthümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie“ den grundsätzlichen Methodenstreit gegen die Geschichtsbetrachtung eröffnete.
Die Historische Schule Preußens: Gustav von Schmoller
Um die deutsche Historische Schule kurz zu charakterisieren und damit der Unterschied zum angloamerikanischen Liberalismus deutlich wird, nachfolgend ein Zitat aus Wikipedia zu Gustav von Schmoller, dem führenden Vertreter der deutschen Nationalökonomie:
In den 1860er Jahren fielen die letzten Zunftschranken in Deutschland; die Gewerbefreiheit wurde 1869 in der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes verankert. Schon der Hinweis Schmollers auf Schwachstellen einer uneingeschränkten Gewerbefreiheit brachte ihm Widerspruch und Angriffe vom „Kongress für Volkswirte“ ein, in dem sich damals Manchester-Liberale und Smithianer zusammengefunden hatten. Heinrich Bernhard Oppenheim prägte den Begriff der „Kathedersozialisten“, um damit Schmoller als Vertreter eines anti-liberalen Staatsinterventionismus zu brandmarken (1871). Kritik an den Schattenseiten des Liberalismus wurde von den Liberalen nämlich oft pauschal als Sozialismus gewertet, auch wenn diese Kritik nicht aus dem sozialistischen Lager kam.
Die Gründung des „Vereins für Socialpolitik“ 1872 in Eisenach unter maßgeblicher Beteiligung Schmollers, in dessen Haus die Vorgespräche mit Adolph Wagner, Hildebrand und Conrad stattgefunden hatten, war die Konsequenz dieser Einstellung. Schmoller war langjähriger Vorsitzender des noch heute existierenden Vereins, durch den er starken Einfluss auf die Wirtschaftspolitik ausübte. Noch ins gleiche Jahr fiel die Berufung Schmollers an die neubegründete Reichsuniversität Straßburg. In dieser Zeit entstand auch sein Werk „Die Straßburger Tucher- und Weberzunft“.
Die Verbindung nach Preußen ließ Schmoller nicht abreißen und verbrachte jährlich einen Teil der Semesterferien in den preußischen Archiven in Berlin und wurde regelmäßiger Mitarbeiter der Preußischen Jahrbücher. In seinen Aufsätzen und Vorträgen erwies sich der Kathedersozialist als unbestechlicher Verfechter einer sozialen Gerechtigkeit. Seine sozialpolitischen Forderungen trugen ihm Ablehnung wie auch Zustimmung ein: Heinrich von Treitschke (1875) sah in ihm einen „Gönner des Sozialismus“; Bismarck versicherte ihm 1875 bei einem Besuch der Straßburger Universität, selbst ein Kathedersozialist zu sein. Für Schmoller stand fest, dass es möglich sei, die Kultur der unteren Klassen zu heben, dass ein sozialer Fortschritt, eine gerechtere Verteilung erreicht werden könne – auch ohne sozialistische Revolution.
Wikipedia: Gustav von
Schmoller
Aus der Rede zum Antritt des Rektorats 1897:
Mögen sie also im Einzelnen irren, mag mancher sog. Praktiker ihnen an Specialkenntnissen in diesem oder jenem Zweig der Volkswirthschaft überlegen sein: dafür spricht doch die allergrösste Wahrscheinlichkeit, dass, wenn sie über gewisse Grundzüge und Tendenzen der socialen Reform trotz aller sonstigen persönlichen Verschiedenheit übereinstimmen, dies doch wohl Folge der wirklichen Fortschritte der Wissenschaft und nicht einseitige Parteinahme für eine Klasse sei. Und weiter können wir hinzufügen, so weit in die Urtheile der academischen Lehrer vielleicht doch gewisse Gefühle der Sympathie mit den arbeitenden Klassen sich eingeschlichen haben mögen, so ist die Frage, ob das nicht in Uebereinstimmung sei mit den grossen idealen und berechtigten politisch-socialen Tendenzen der Zeit. Der Standpunkt der socialen Reform, den sie einnehmen, ist weder der des einseitigen Arbeiterinteresses, noch der des Unternehmeroder Capitalinteresses. Es ist ein Standpunkt, wie er sich aus der Wiederbelebung religiöser und ethischer Potenzen unserer Tage, aus dem machtvoll angewachsenen Staatsgefühl, aus dem gesteigerten Sinn für Recht und Gerechtigkeit ergeben hat. Die socialen Fragen geben unserer Zeit und dem kommenden Jahrhundert seine Signatur.
Die besseren Argumente wären der deutschen Historischen Schule sicher nicht ausgegangen, aber sie verlor durch die politische Entwicklung jeden Einfluss an den Universitäten zugunsten des VWL-Modellbaus mit seinen Gleichgewichtskurven und mathematischen Formeln ohne jeden Bezug zur Geschichte der Ökonomie und den aus ihr zu gewinnenden Lehren und Erfahrungen.
Die US-Verbindungen des Ludwig von Mises in Wien
Dass die österreichischen Ökonomen die Gegner der deutschen waren, hatte seinen tieferen Grund in den Spannungen zwischen Österreich und Preußen im 19. Jahrhundert und war sozusagen eine Folge der Schlacht von Königgrätz im Jahr 1866. Das britische Empire hat sich damals die Gelegenheit nicht entgehen lassen und zu seinen Anhängern in Österreich sehr enge Beziehungen aufgebaut, die weit über alle Fragen der Ökonomie hinaus reichten und spätestens mit dem Zusammenbruch der Monarchie in Österreich in eine offene Agententätigkeit für die USA und GB ausarteten.
Die österreichischen Ökonomen wurden die Propagandisten der Ideen aus England und gebrauchten dazu die Methoden der Propaganda. Während die Werke der Ökonomen aus Cambridge und Harvard schon durch Thema und Titel keine breite Leserschaft finden konnten, schrieb Friedrich August von Hayek Bücher wie „Der Weg zur Knechtschaft“ oder „Die Anmaßung von Wissen“ für ein breites Publikum. Kein Wunder also, dass die angloamerikanische Propaganda der „freien Marktwirtschaft“ bis heute auf diesen Frontmännern aus Österreich aufbaut, die inzwischen weltweit eine große Schar von Anhängern im Kleinbürgertum, aber vor allem bei den Reichen und den Rentiers gewinnen konnten.
Wie weit die österreichischen Professoren in die Vorhaben des britischen Empire verstrickt waren, zeigen die Erinnerungen des Ludwig von Mises, die hier in Auszügen näher betrachtet werden sollen. Zum Einstieg ein Zitat aus dem englischen Wikipedia:
Ludwig von Mises was born to a wealthy family, in the city of Lemberg … His parents, Arthur and Edler von Mises, were Jewish and the family had recently been ennobled. They were involved in building and financing railroads. Similarly, Adele von Mises (née Landau), the niece of Dr. Joachim Landau, was a Liberal Party deputy to the Austrian Parliament. Arthur was stationed there as a construction engineer with Czernowitz railway company. At the age of twelve Ludwig spoke fluent Yiddish, German, Polish, and French, read Latin, and could understand Ukrainian. …
In 1900, he attended the University of Vienna, becoming influenced by the works of Carl Menger. Mises' father died in 1903, and in 1906 Mises was awarded his doctorate from the school of law.
In the years from 1904 to 1914, Mises attended lectures given by the prominent Austrian economist Eugen von Böhm-Bawerk. There, he developed friendships not only with Menger and Böhm-Bawerk, but also prominent sociologist Max Weber. Mises taught as a Privatdozent at the Vienna University in the years from 1913 to 1934 while formally serving as secretary at the Vienna Chamber of Commerce from 1909 to 1934. In these roles, he became one of the closest economic advisers of Engelbert Dollfuss …
Zum Glück hat uns Ludwig von Mises ziemlich brauchbare Erinnerungen über seine Aktivitäten in Wien und seinen Einfluss auf die Politik nach dem Ersten Weltkrieg hinterlassen, die vom Herbst bis zum Dezember 1940 niedergeschrieben und erst nach seinem Tod von seiner Frau veröffentlicht wurden. Manche Leser werden versucht sein, seine Darstellungen für übertrieben zu halten. Dagegen kann ich nur anraten, ihn sehr genau zu lesen und ernst zu nehmen; er zählte zu den Eingeweihten der angloamerikanischen Politik und seine Vorhersagen, etwa der Weltwirtschaftskrise, der politischen Entwicklung in Deutschland und des Zweiten Weltkriegs, waren keine nachträglichen Erfindungen und Wichtigtuereien, sondern das Ergebnis seiner Einblicke in diese Politik.
„Erinnerungen von Ludwig v. Mises“, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1978 (pdf)
Einleitend behandelte Mises, der seine Erinnerungen gleich mit dem Kapitel „I. Der Historismus“ begann, seine Ablehnung der Untersuchung ökonomischer Fragen an realen, also historischen Beispielen. Seine Begründung war selbstverständlich nicht, dass diese der Wahrheit zu nahe kommen könnte, sondern dass jede historische Forschung Dummheit und Faulheit bei Studenten wie Professoren begünstigen würde:
Es war nicht schwer, in ein Archiv zu gehen und aus einigen Bündeln von Akten eine geschichtliche Arbeit zusammenzukleistern. (Erinnerungen, S. 7)
Wobei die Berufung von Professoren schon generell ein Problem sei, womit er bei VWL-Professoren sicher Recht hat:
Wenn man die Zulassung zum akademischen Lehramt an die Bedingung knüpfen wollte, dass der Bewerber die Nationalökonomie durch eigene Forschung bereichert hat, würde man in der ganzen Welt kaum ein Dutzend Professoren auftreiben können. (Erinnerungen, S. 8)
Seine eigene Methode der Forschung wollte aus einigen a priori als wahr erkannten Gesetzen alle ökonomischen Zusammenhänge ableiten. Die Überprüfung der liberalen Dogmen mittels historischer Forschung konnte dann kein Anhänger dieser Methode dulden. Weil der erklärte Dogmatismus des Ludwig von Mises sich an den Universitäten nicht durchsetzen ließ, arbeitet die VWL mit Modellen, die mit geeigneten Annahmen und Voraussetzungen an Stelle der bei Mises a priori als wahr geltenden Gesetze zu den gewünschten Schlussfolgerungen führen. Die Modellwelt muss dann nur noch konsequent gegen jeden Gedanken, sie einmal an der Realität zu prüfen, abgeschirmt sein, dann werden die Annahmen und Voraussetzungen der Modelle mit allen daraus abgeleiteten Schlüssen so gut wie eherne Dogmen.
Im Gegensatz zu dem an der Universität betriebenen VWL-Modellbau ist die Österreichische Schule überhaupt nicht an makroökonomischen Zusammenhängen interessiert, nicht einmal am angeblichen Gleichgewicht der Märkte einer Wirtschaft:
Das, was die Österreichische Schule auszeichnet und ihren unvergänglichen Ruhm bilden wird, ist gerade, daß sie eine Lehre vom wirtschaftlichen Handeln und nicht eine Lehre vom wirtschaftlichen Gleichgewicht, vom Nichthandeln, ist. (Erinnerungen, S. 21)
Während der Modellbau zwar die Studenten der Ökonomie erfolgreich indoktriniert, ist er für die kapitalistische Interessenpropaganda bei der einfachen Bevölkerung unbrauchbar. Dafür braucht es ökonomische Abhandlungen aus der Sicht und vom Standpunkt der einzelnen Marktteilnehmer. Also keine Abstraktion, keine Mathematik mit Formeln, sondern die mikroökonomische Position, die den Zielpersonen der Propaganda einleuchtet und von ihnen einfach nachvollzogen werden kann. Vom wissenschaftlichen Standpunkt ist diese mikroökonomische Fundierung der Makroökonomie zwar der blanke Schwachsinn, aber das Publikum ist von dieser Darstellung der Ökonomie - sozusagen aus der Sicht der kleinen Leute - begeistert, obwohl sie den Interessen der Reichen und der Mächtigen dient. Die Österreichische Schule schuf die Theorie für die Straße und nicht für die Universität:
Sie will die Preise erklären, die auf den Märkten wirklich gezahlt werden, und nicht bloß Preise, die unter gewissen, nie realisierbaren Bedingungen gezahlt werden würden. Sie lehnt die mathematische Methode nicht etwa aus Unkenntnis der Mathematik oder aus Abneigung gegen mathematische Exaktheit ab, sondern weil sie kein Gewicht auf die Detailausmalung des Zustandes eines hypothetischen statischen Gleichgewichts legt. Sie hat sich nie der verhängnisvollen Illusion hingegeben, daß Werte gemessen werden könnten. Sie hat nie verkannt, daß alle statistischen Daten lediglich der Wirtschaftsgeschichte angehören und mit Wirtschaftstheorie nichts zu tun haben.
Weil die österreichische Nationalökonomie eine Lehre vom menschlichen Handeln ist, darf man ihr auch Schumpeter nicht zuzählen. In seinem ersten Buche bekennt sich Schumpeter charakteristischerweise zu Wieser und zu Walras und nicht zu Menger und Böhm. Nationalökonomie ist ihm eine Lehre von den «ökonomischen Quantitäten» und nicht eine Lehre vom Handeln der Menschen. (Erinnerungen, S. 21)
Diese „Lehre vom menschlichen Handeln“ eignet sich bestens, vor breitem Publikum makroökonomische Zusammenhänge vollständig auszublenden und jegliche Konjunkturpolitik als Sozialismus, Nationalsozialismus oder gleich Kommunismus zu verteufeln:
Unter den vielen hundert Männern, die zwischen 1870 und 1934 an den deutschen Hochschulen als Ordinarien Wirtschaftsfächer lehrten, befand sich kein einziger, der mit den Arbeiten der österreichischen, der Lausanner oder der modernen angelsächsischen Richtung vertraut war. Niemals wurde ein Privatdozent habilitiert, der im Verdachte stand, einer dieser Schulen anzugehören. Knies und Dietzel waren die letzten Nationalökonomen auf deutschen Kathedern. An den Universitäten des Deutschen Reiches wurde nicht Nationalökonomie, sondern Marxismus oder Nationalsozialismus gelehrt, so wie an den Universitäten des zaristischen Rußland nicht Nationalökonomie, sondern ‹legaler› Marxismus oder Wirtschaftskunde gelehrt wurde. (Erinnerungen, S. 23)
Die gerechte Strafe für ihre Ablehnung der angloamerikanischen Ideen von Liberalismus, Freihandel und Kapitalismus musste Deutschland, Österreich und das Zarenreich unabwendbar treffen und für Mises hatten sie es nicht besser verdient.
Im nachfolgend zitierten Ausschnitt erhalten wir einen Einblick, wie im politischen Umkreis der Familie des Ludwig von Mises die Zerstörung der Kultur und des Wohlstands Kontinentaleuropas durch Krieg und Revolutionen vorhergesehen wurde:
Mein Großvater hatte einen Bruder, der mehrere Jahre vor meiner Geburt gestorben ist. Dieser Bruder, Dr. Joachim Landau, war liberaler Abgeordneter im österreichischen Abgeordnetenhaus und intimer Freund seines Parteikollegen, des Abgeordneten Dr. Max Menger, eines Bruders von Carl Menger. Eines Tages berichtete er meinem Großvater über ein Gespräch, das er mit Carl Menger geführt hatte. Carl Menger, erzählte mir mein Großvater ungefähr um 1910, hätte folgende Äußerung getan: «Die Politik, die die europäischen Mächte verfolgen, wird zu einem fürchterlichen Krieg führen, der mit grauenhaften Revolutionen, mit völliger Vernichtung der europäischen Kultur und mit Zerstörung des Wohlstandes aller Völker enden wird. In Voraussicht dieser unabwendbaren Ereignisse kann man nur die Anlage in gehortetem Gold und etwa noch die in Effekten der beiden skandinavischen Länder empfehlen.» In der Tat hatte Menger seine Ersparnisse in schwedischen Wertpapieren angelegt. (Erinnerungen, S. 20)
Nach dem Krieg nahm Mises seine Arbeit bei der Wiener Handelskammer wieder auf, die ihn 1909 als Referenten eingestellt hatte und in der er nun eine leitende Funktion mit ständigen Kontakten zur Regierung bekleidete und später einer der engsten ökonomischen Berater des Kanzlers Engelbert Dollfuß wurde. Der Arbeitsaufwand dieser Stellung ließ wohl genug Zeit für die eigentlichen Aufgaben:
"there I came to know him mainly as a tremendously efficient executive, the kind of man who, as was said of John Stuart Mill, because he does a normal day's work in two hours, always has a clear desk and time to talk about anything. I came to know him as one of the best educated and informed men I have ever known..." (Hayek zitiert nach Wikipedia)
Gleich zum Kriegsende hatte Ludwig von Mises nach eigenen Angaben durch eindringliche Verhandlungen mit dem Austromarxisten Otto Bauer den Bolschewismus in Wien verhindert. Andere einflussreiche Kreise in Wien hätten sich damals schon mit ihrem Schicksal unter einer Bolschewikenregierung abgefunden gehabt:
Alle Kreise waren so sehr von der Unabwendbarkeit des Bolschewismus überzeugt, daß sie nur darauf bedacht waren, sich eine günstige Position im neuen Staatswesen zu sichern. Die katholische Kirche und ihre Anhänger, die christlich-soziale Partei, waren bereit, sich dem Bolschewismus mit jenem Eifer anzubiedern, mit dem die Erzbischöfe und Bischöfe zwanzig Jahre später dem Nationalsozialismus entgegengekommen sind. Die Bankdirektoren und Großindustriellen hofften, als «Betriebsführer» im Bolschewismus gutes Unterkommen zu finden. Ein Herr Günther, industrieller Konsulent der Bodenkreditanstalt, versicherte Otto Bauer in meiner Gegenwart, daß er vorziehen werde, nicht mehr den Aktionären, sondern dem Volke zu dienen. Man kann sich die Wirkung einer derartigen Erklärung vorstellen, wenn man weiß, daß dieser Mann, freilich mit Unrecht, als der beste industrielle Organisator Österreichs angesehen wurde. Ich wußte, was auf dem Spiele stand. Bolschewismus in Wien hätte nach wenigen Tagen zur Hungersnot und zum Terror geführt, und bald wären irgendwelche plündernde Horden eingebrochen, um in einem zweiten Blutbad die Reste der Wiener Kultur zu vernichten. Ich habe viele Nächte lang mit dem Ehepaar Bauer diese Probleme durchbesprochen, bis es mir endlich gelang, es zu überzeugen. Die gemäßigte Haltung Bauers entschied damals über das Schicksal Wiens. (Erinnerungen, S. 12/13)
An anderer Stelle schreibt Mises in seinen Erinnerungen:
Daß es im Winter 1918/1919 nicht zum Bolschewismus gekommen ist und daß der Zusammenbruch der Industrie und der Banken nicht schon 1921, sondern erst 1931 eingetreten ist, war zu einem guten Teil der Erfolg meiner Bemühungen. (Erinnerungen, S. 47)
Obwohl er offiziell nur ein Sekretär der Handelskammer war, verglich er seinen Einfluss mit den Vorsitzenden der großen Parteien in Österreich:
Ich hatte eine unvergleichlich bedeutendere Stellung als irgendein Kammerfunktionär oder als irgendein Österreicher, der nicht an der Spitze einer der großen politischen Parteien stand...
So war ich in der Zeit vom Abschlusse des Waffenstillstandes bis zur Unterzeichnung des Friedens von Saint Germain Referent für die finanziellen Fragen im Außenamte. Später, als die Bestimmungen des Friedensvertrages durchgeführt wurden, war ich Leiter des mit der Abwicklung der Vorkriegsschulden befaßten Abrechnungsamtes. (Erinnerungen, S. 48)
In seiner 1977 verfassten Einleitung zu den Erinnerungen beschreibt Friedrich August von Hayek wie er nach dem Weltkrieg und im Zusammenhang mit diesem in den Zirkel des Ludwig von Mises aufgenommen und von ihm gefördert wurde:
Ich kam zu ihm, eher charakteristischerweise, nicht als Student, sondern als eben promovierter Doktor der Rechte und als ihm unterstellter Beamter an einer jener temporären Sonderbehörden, die zur Durchführung der Bestimmungen des Friedensvertrages von St. Germain geschaffen worden waren. Den Empfehlungsbrief meines Universitätslehrers Friedrich von Wieser, der mich als vielversprechenden jungen Ökonomen beschrieb, quittierte Mises lächelnd mit der Bemerkung, daß er mich nie in seinen Vorlesungen gesehen hätte. Als er mein Interesse bestätigt und meine Kenntnisse befriedigend fand, förderte er meine Bemühungen jedoch in jeder Weise und trug viel dazu bei, meinen (vor der Zeit der Rockefeller Stipendien erfolgten) längeren Besuch in den Vereinigten Staaten zu ermöglichen, dem ich viel verdanke. (Einleitung, S. XII)
Seine Kontakte pflegte Mises über ein sogenanntes Privatseminar, dessen Teilnehmer sich alle zwei Wochen an der Universität oder in seinem Büro in der Handelskammer trafen. Zu gelegentlichen Teilnehmern zählte auch Lionel Robbins von der LSE, Howard S. Ellis aus den USA und John van Sickle von der Rockefeller Stiftung in Paris. Hayek behauptet selbstverständlich, Mises habe in jenem Kreis wissenschaftlich wirken wollen:
Erst bei meiner Rückkehr aus Amerika im Sommer 1924 wurde ich in jenen Kreis aufgenommen, der schon einige Zeit bestand und durch den Mises in Wien hauptsächlich wissenschaftlich wirkte. Dieses «Mises-Seminar», wie wir alle die zweiwöchentlichen abendlichen Diskussionen in seinem Büro nannten, ist in den «Erinnerungen» ausführlich beschrieben, wenn Mises auch die kaum weniger wichtigen, regelmäßigen Fortsetzungen der Diskussionen des offiziellen Teiles bis spät in die Nacht hinein in einem Wiener Kaffeehaus nicht erwähnt. Es waren, wie er richtig beschreibt, nicht Unterrichtsveranstaltungen, sondern Diskussionen unter dem Vorsitz eines älteren Freundes, dessen Ansichten die Mitglieder keineswegs alle teilten. (Einleitung; S. XII)
Aus den USA waren ständig Teilnehmer in diesem Kreis anzutreffen, in dem willige junge Akademiker in Wien für eine Karriere meist im Dienst der USA von Mises angeworben wurden. Ein Berater der US-Regierung auf einer Informationsreise in Europa ermöglichte einen Studienaufenthalt Hayeks in den USA, bevor die Rockefeller-Stiftung ihn förderte.
All dies schien die seltene geistige Ablenkung eines tagsüber vollauf mit dringenden politischen und wirtschaftlichen Fragen befaßten Mannes, der über Tagespolitik, neuere Geschichte und allgemeine geistige Entwicklung besser informiert war als die meisten anderen. Worüber er jeweils gerade arbeitete, wußte sogar ich nicht, der ihn in jenen Jahren fast täglich beruflich sah; er sprach nie darüber. (Einleitung, S. XIII)
Ein verschwiegener Mann mit sehr guten Informationen und weltweiten Kontakten. Bald würden Mises und Hayek gemeinsam die österreichische Regierung in Fragen der Bestimmungen von St. Germain beraten.
There were others, foreigners who came to Vienna for a time and attended my seminar, not very regularly but often enough. I shall mention only a few. As you know I am not very much in favor of Marxism and similar doctrines, so you will be astonished to hear that one of these foreigners was Hugh Gaitskell, the present chief of the British Labor Party. Again you will be astonished to learn that another was a Japanese professor, Kotari Araki, who, later as a professor at the University of Berlin during the time of the Axis, taught about Japanese economics and Axis economic problems. I want to mention one other foreigner who attended my seminar, Francois Perroux, the present professor of economics at the College de France, the most renowned institution of French learning. There were also many others.
The Austrian School of Economics at the University of Vienna by Ludwig von Mises
Im Hinblick auf die geplante deflationäre Depression wurden von der Rockefeller-Stiftung in den USA seit Kriegsende weltweit Institute zur angeblichen Erforschung der Konjunktur finanziert, die während der Großen Depression 1929-33 dann eine krisenverschärfende Politik und völlig falsche und irreführende ökonomische Analysen zu den Ursachen der Krise propagieren sollten. Mises berichtet hier nur knapp von der Gründung seines Wiener Instituts mit Friedrich August von Hayek als Direktor:
Ich habe 1926 das Österreichische Institut für Konjunkturforschung gegründet. Ich habe – mit Dollfuss und dem Sekretär der Arbeiterkammer Palla – dem dreigliedrigen Redaktionskomitee der Wirtschaftskommission angehört, das im Jahre 1930 unter Mitwirkung von Professor Richard Schüller einen «Bericht über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Österreichs» veröffentlichte. (Erinnerungen, S. 49)
Bei all seinen Ausfällen gegen historische Studien und makroökonomische wie konjunkturpolitische Theorien war Mises ein guter Kenner der Geldpolitik und ihrer Auswirkungen:
In seinem 1903 veröffentlichten Buche Das Geld hatte Helfferich die Behauptung aufgestellt, daß die Grenznutzentheorie gegenüber dem Problem des Geldwerts versage. Ich wollte die Stichhaltigkeit dieses Einwandes prüfen und wendete mich seit 1906 mit großem Eifer den Geld- und Bankproblemen zu. Ich studierte die großen Werke der Theorie und die Währungsgeschichte der europäischen Länder, der Vereinigten Staaten von Amerika und Britisch-Indiens und suchte mich in dem nahezu unübersichtlichen Schrifttum zurechtzufinden. (Erinnerungen, S. 26)
Der deutsche Volkswirt Karl Helfferich hatte völlig zu Recht festgestellt, dass die Grenznutzentheorie zum Thema Inflation oder Deflation, also dem Problem des Geldwerts, nicht zu gebrauchen ist. Dafür hätte Mises nun wirklich keine Währungsgeschichte zu studieren brauchen, weil das die Logik a priori als Wahrheit bestätigt. Andererseits wird die Währungsgeschichte Mises gezeigt haben, wie vorteilhaft diese Grenznutzentheorie für Interessenten ist, die dem Publikum und schon den Studenten und Professoren an der Universität tiefere Einblicke in die Zusammenhänge von Geldpolitik und Konjunktur verwehren wollen, indem sie mit der Berechnung von Grenzerträgen und Grenznutzenkurven beschäftigt werden.
Ludwig von Mises war für das von der Rockefeller-Stiftung finanzierte Konjunkturforschungsinstitut der geeignete Mann, der sich nicht nur mit der Währungsgeschichte auskannte, sondern Fürsprecher einer möglichst brutalen und bösartigen Anwendung der Regeln des Goldstandards war.
Auf der Grundlage seines betonten Deflationismus brach Mises sogar mit der bewährten angelsächsischen Tradition, die Theorie des Geldes grundsätzlich von der Nationalökonomie zu trennen. Sein Deflationismus wurde zum Kern seiner ökonomischen Lehre und damit prägte er den Neoliberalismus bis heute, dessen eifrigste Anhänger und Fürsprecher die Sparer und Couponschneider sind:
Damals herrschte freilich die Auffassung vor, daß die Geldlehre aus dem Gesamtgefüge der nationalökonomischen Probleme reinlich ausgesondert werden könne, ja, daß die Geldlehre eigentlich gar nicht in die Nationalökonomie hinein gehöre, sondern gewissermaßen eine eigene Disziplin bilde. Dieser Auffassung gemäß hat man an den Hochschulen der angelsächsischen Ländern besondere Lehrkanzeln für currency and banking geschaffen. Doch diese Auffassung war eben falsch; es war meine Absicht, ihre Unhaltbarkeit aufzuzeigen und die Geldlehre wieder zur Nationalökonomie zurückzuführen. (Erinnerungen, S. 34/35)
Aus der völlig mikroökonomischen Sicht der Sparer und Rentiers konnte man das Thema Geld auf die einzige Frage reduzieren, wie steigende Preise zu verhindern sind. In der angloamerikanischen Nationalökonomie hatte man das Thema gemieden, weil die Bekämpfung der Inflation durch geldpolitisch verursachte Wirtschaftskrisen nicht erörtert werden durfte. Nur dem Neoliberalismus war es gelungen, mit seiner prinzipiell jeden makroökonomischen Gedanken ausschließenden Methode das Thema Geld reduziert auf den Deflationismus im Interesse der reichen Rentiers zum eigentlichen Inhalt der ganzen Lehre zu machen.
Ludwig von Mises: Die Ursachen der Wirtschaftskrise
Für das von Mises verfolgte Ziel einer möglichst weitgehenden Deflation der Löhne und Preise war die Unterstützung der Arbeitslosen ein Hindernis. Ohne jede Skrupel plädierte Mises in einem 1931 vom Verlag Mohr, Tübingen, publizierten Vortrag für die Abschaffung der Arbeitslosenunterstützung in der Weltwirtschaftskrise:
Wir sehen also: Die Arbeitslosigkeit als Dauer- und Massenerscheinung ist das Ergebnis der von den Gewerkschaften eingeschlagenen Politik, den Lohnsatz hinaufzutreiben. Ohne Arbeitslosenunterstützung hätte diese Politik schon längst Schiffbruch erleiden müssen. Die Arbeitslosenunterstützung ist mithin nicht eine Maßnahme zur Linderung der durch die Arbeitslosigkeit hervorgerufenen Not, wie die irregeleitete öffentliche Meinung annimmt. Sie ist im Gegenteil ein Glied in der Kette von Ursachen, die die Arbeitslosigkeit als Dauer-und Massenerscheinung erst schaffen.
Ludwig von Mises: Die Ursachen der Wirtschaftskrise, 1931, S. 18f (PDF)
Konjunkturforschung vor der Weltwirtschaftskrise
Bei dem Eifer, mit dem sich die Forscher bereits in den 1920er Jahren auf das Thema Konjunktur stürzten, könnte man naiv erwarten, dass die Menschheit und ihre Wissenschaft noch nie so gut vorbereitet in eine verheerende Weltwirtschaftskrise geraten seien und das Ergreifen der richtigen Maßnahmen zur Überwindung der Krise nun kein Problem mehr gewesen sein dürfte. Bereits 1925 war von Ernst Wagemann unter Mitwirkung von Adolf Löwe das Berliner Institut für Konjunkturforschung (IfK, heute DIW) gegründet worden und auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft verfügte mit dem 1926 nach Kiel berufenen Adolph Löwe sowie Hans Neisser und Gerhard Colm über eine einflussreiche "Kieler Gruppe" der wirtschaftlichen Kreislauf- und Konjunkturforschung.
Allerdings hatte Keynes schon 1925 anlässlich der Rückkehr Englands zum Goldstandard das Thema "Konjunktur" restlos abgehandelt und ich zitiere ihn gerne wieder:
Die Bank von England ist gezwungen, den Kredit nach allen Spielregeln des Goldstandards zu beschränken. Sie handelt damit gewissenhaft und »gesund«. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass eine harte Krediteinschränkung – und niemand wird leugnen, dass die Bank das macht – notwendig die Verschärfung der Arbeitslosigkeit unter den gegenwärtigen Umständen dieses Landes beinhaltet. Was wir brauchen, um heute wieder zu Wohlstand zu kommen, ist eine großzügige Kreditpolitik. Wir wollen Geschäftsleute ermutigen, neue Unternehmen zu beginnen, nicht, wie wir es tun, sie abschrecken. Deflation senkt die Löhne nicht »automatisch«. Sie senkt sie durch die Verursachung von Arbeitslosigkeit. Die eigentliche Aufgabe von knappem Geld ist es, einen beginnenden Boom zu hemmen. Wehe denen, die sich durch ihre Überzeugung dazu verleiten lassen, es zur Verschärfung einer Depression zu benutzen.
The Bank of England is compelled to curtail credit by all the rules of the gold standard game. It is acting conscientiously and »soundly« in doing so. But this does not alter the fact that to keep a tight hold on credit – and no one will deny that the Bank is doing that – necessarily involves intensifying unemployment in the present circumstances of this country. What we need to restore prosperity to-day is an easy credit policy. We want to encourage business men to enter on new enterprises, not, as we are doing, to discourage them. Deflation does not reduce wages »automatically«. It reduces them by causing unemployment. The proper object of dear money is to check an incipient boom. Woe to those whose faith leads them to use it to aggravate a depression.
Keynes, »The Economic Consequences of Mr. Churchill« (1925), Essays, S. 259.
Wir brauchen uns also nicht zu wundern, dass die Aufgabe der weltweiten Konjunkturforschung genau darin bestand, von einer restriktiven Geldpolitik der Notenbanken unter dem Goldstandard als Ursache einer deflationären Depression völlig abzulenken und irgendwelche realwirtschaftlichen Ursachen der Konjunkturzyklen zu debattieren. Selbst nach dem Ende der Weltwirtschaftskrise sucht man bei den meisten "Konjunkturforschern" vergeblich nach Publikationen über die wahren Ursachen der für Abermillionen von Erwerbslosen und ihre Familien geradezu mörderischen Weltwirtschaftskrise; entweder haben sie sich anderen Themen zugewandt oder immer noch die "schöpferische Zerstörung" mit Schumpeter und die Zyklen nach Kondratjew und Konsorten oder den Deflationismus mit Mises und Hayek gepredigt. Hans Neisser zum Beispiel publizierte in den USA 1934 zum Thema „General Overproduction“, 1937 „Investment Fluctuations as Causes of the Business Cycle“ und noch 1942, als die expansive Geldpolitik auch in den USA wieder für Vollbeschäftigung gesorgt hatte, Permanent Technological Unemployment: Demand for commodities is not demand for labor (PDF). Neisser beklagt da, dass die "technologische Arbeitslosigkeit" immer noch ein Stiefkind der Wirtschaftswissenschaft wäre, aber lesen Sie selbst! Zur Aktualität des Themas im Jahr 1942 kann man vermuten, dass mit dem nahen Kriegsende vielleicht wieder eine deflationäre Depression geplant war, um die Vollbeschäftigung und die gestiegene Prosperität der Kriegsökonomie und die Ansprüche der Arbeiter wieder auf das Niveau der 30er Jahre herunter zu brechen, und Hans Neisser das Thema der technologischen Arbeitslosigkeit für diesen Zweck vorbereiten wollte.
Ludwig von Mises am Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung in Genf
Dieses Graduate Institute of International and Development Studies war eine eng mit der US-Administration und der britischen Milner-Gruppe und dem Völkerbund in Genf verbundene Einrichtung. Mises erhält 1934 einen Lehrauftrag in Genf:
Im Frühjahr 1934 erhielt ich ganz unerwartet die Einladung, für das Studienjahr 1934/35 die Lehrkanzel für internationale Wirtschaftsbeziehungen am Genfer Institut Universitaire des Hautes Etudes Internationales zu übernehmen…
Als ich im Herbst 1934 nach Genf kam, mußte ich damit rechnen, daß meine Berufung nur für ein Studienjahr erfolgt war. Mein Auftrag wurde jedoch verlängert; ich blieb bis zum Ende des Studienjahres 1939/40 in Genf. (Erinnerungen S. 86)
Das Institut ließ seinen Mitarbeitern durch die geringe Lehrverpflichtung von nur drei Wochenstunden viel Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben:
Das Institut war eine Schöpfung seiner Leiter William E. Rappard und Paul Mantoux. Die Lehrverpflichtung, die es seinen Lehrern auferlegte, war gering: eine Stunde Vorlesung und zwei Stunden Seminar in der Woche. Es herrschte ein herzliches Einvernehmen zwischen den Lehrern und Schülern. Der Geist des Liberalismus strahlte über dieser einzigartigen Schule. (S. 86)
Im „Geist des Liberalismus“ und zur Pflege des angloamerikanischen Einflusses auf den Völkerbund in Genf sollte diese einzigartige Schule die geeigneten Kandidaten rekrutieren und ausbilden:
The Graduate Institute of International Studies was founded in 1927. Its moving spirits were the scholar–diplomats William Rappard and Paul Mantoux who worked together as senior officials in the secretariat in the first headquarters of the League of Nations building, the "Palais Wilson". Their shared vision was for a graduate school for preparing statesmen and secretariat staff via impartial study of international relations as an academic field.
Rappard was influential in convincing his friend US President Woodrow Wilson to locate the League in Geneva. Indeed, the current site of the Institute in the Parc Barton on the shore of Lake Geneva, was one of the first sites considered for the organization’s headquarters. The original mandate of the Institute highlighted the aim of working closely with the League and the International Labour Organization (its precursor in Geneva) in a cooperative exchange through which HEI would prepare staff and delegates, while the intergovernmental organizations would provide intellectual resources and diplomatic expertise as guest lecturers. The Institute continues as an intellectual catalyst and magnet known as the "Geneve international". (Wiki)
Den folgenden Fall können wir hier nicht ganz klären, er zeigt aber, für wie einflussreich Mises von seinen Freunden gehalten wurde:
Der Völkerbund war in Wien seit 1931 durch einen Holländer namens Rost van Tonningen vertreten. Rost betrieb in Wien offen pronazistische Propaganda. (Als er später aus dem Dienst des Völkerbundes schied und in seine Heimat zurückkehrte, wurde er sofort zum Führer-Stellvertreter der holländischen nationalsozialistischen Partei bestellt.) Meine Wiener Freunde wollten nicht glauben, daß es mir unmöglich war, die Abberufung Rosts durchzusetzen. (Erinnerungen, S. 91)
Friedrich August von Hayek
Die Eltern des Friedrich August von Hayek waren mit Eugen Böhm von Bawerk befreundet, der sie oft besuchte. Der Vater seiner Mutter war Professor und später Präsident der statistischen Zentralkommission. Über den Großvater seiner Mutter war er ein Großcousin des Ludwig Wittgenstein.
Von 1923 bis 1924 arbeitete Hayek mit einem ihm von Mises besorgten Stipendium der Rockefeller Foundation als Forschungsassistent für Prof. Jeremiah Jenks am National Bureau of Economic Research (NBER) über makroökonomische Daten der US-Wirtschaft und die Geldpolitik der US-Notenbank FED. Hayek war von Mises in Wien dem als US-Regierungsberater arbeitenden Prof. Jenks empfohlen worden:
The first student of mine who went to a foreign country in this way was Professor Hayek. A distinguished professor at New York University, Jeremiah Jenks, who had written important studies on the gold exchange standard in the Far East; one could say that Jenks was the man who made the gold exchange standard known to economists. Jenks came to Vienna because he wanted to study and write about European conditions and I introduced him to Hayek. Later by special arrangement, Dr. Hayek became Jenks' secretary for some time in New York.
The Austrian School of Economics at the University of Vienna by Ludwig von Mises
Da der Prof. Jenks ein Spezialist für den Goldstandard und so auch für die Geldpolitik der Notenbanken gewesen ist, dürfen wir von diesem Zeitpunkt an völlig ausschließen, dass Hayek nicht gewusst haben könnte, wie die Politik der Notenbanken unter dem Goldstandard funktioniert.
Angeblich habe Hayek den Mises überredet, das auch von der Rockefeller Foundation finanzierte Österreichische Institut für Konjunkturforschung (Austrian Institute for Business Cycle Research) zu gründen, dessen Direktor Hayek dann von 1927 bis 1931 zusammen mit Mises war.
Wie Hayek die Große Depression vorhersagen konnte:
In einigen Werken und von manchen Ökonomen wird dem Friedrich August von Hayek Bewunderung gezollt, weil er schon im Februar 1929 die Weltwirtschaftskrise vorhergesagt hat, als Leute wie John
Maynard Keynes noch geglaubt hatten, dass es eine solche Krise wegen des inzwischen möglichen Verständnisses von Konjunktur und Geldpolitik nicht mehr geben könne.
Aber Hayek war von seinen Freunden wohl schon besser informiert worden, was von denen geplant war:
And when he started Vienna’s first economic forecasting institute, Hayek ridiculed the confidence of Keynes and Irving Fisher that the next recession, whenever it came, would be mild, thanks to managed money and the Federal Reserve. In February 1929, in his monthly forecast newsletter, he predicted instead that the American boom would result in a crash.
Hayek, Keynes and How to Prevent Economic Crises: Sylvia
Nasar
Hier wird dann ganz deutlich, dass die englische Fabian-Society wie die deutsche SPD ein Werkzeug jener Kräfte war, von denen die Weltwirtschaftskrise inszeniert wurde. Die London School of
Economics mobilisierte rechtzeitig die entsprechenden Ideologen:
This strategy succeeded brilliantly, snagging Hayek an invitation to Beatrice and Sidney Webb’s London School of Economics, which a group of young Turks were itching to turn into a libertarian antipode of interventionist Cambridge, where Keynes’s disciples were. With Hayek on the LSE team, young economists everywhere followed the furious debate that ensued with the passion and partisanship of soccer fans.
Was dem Publikum so dargestellt wird, als seien die beiden Webbs von Hayeks Weisheiten beeindruckt worden und zufällig waren an der LSE gerade einige Jungtürken, die man gegen Keynes loslassen
konnte.
Hayek propagierte alle Methoden zur Verschärfung der Weltwirtschaftskrise:
“The creation of artificial demand,” Hayek argued, would only lead to another burst of inflation and another downturn. Like most American economists -- as well as President Herbert Hoover and his political rival, Roosevelt -- Hayek opposed going off the gold standard, and favored spending cuts and tax increases to balance the budget. Give the economy time to heal.
Wie wir es heute ja auch wieder kennen, also Warnungen vor Inflation mitten in einer deflationären Depression, die Ablehnung konjunkturstimulierender Maßnahmen und die Forderung nach einem brutalen Haushaltsausgleich.
When “nature’s cure” failed to end the Great Depression, Hayek’s star hurtled to earth. As Beatrice Webb wrote in her diary of Hayek and his allies in 1936, “They and their credo are sidetracked, without influence or even relevance to the present state of the world.”
Da war es für die Einsichten der Beatrice Webb allerdings schon etwas spät. Die beiden Webbs und ihre Fabian-Society waren allerdings schon lange ein Instrument der britischen Imperialisten im Bund mit den Rockefellers und den Morgans.
Das Geständnis von Hayek zur Verursachung der Weltwirtschaftskrise
In dem folgenden Video auf Youtube hören Sie das Geständnis von Hayek, dass die Große Depression damit verursacht wurde, eine Rückkehr zum alten Goldstandard zu den Vorkriegsparitäten durchzusetzen. In den ersten Minuten des Videos sagt Hayek:
„… the great misfortune was the attempt to return to gold at the old parities …”
Der hartnäckige Versuch der Rückkehr zu den Vorkriegsparitäten hat dann diese drastische Deflation erforderlich gemacht, die schließlich wegen ihrer verheerenden Auswirkungen in England schon 1931 mit dem Ausscheiden des Sterling-Blocks aus dem Goldstandard und der Abwertung des Sterling aufgegeben werden musste, während die USA die Deflation bis 1933 fortgesetzt haben.
Dazu verweist Hayek dann auf Ricardos Schutzbehauptung, wonach dieser in der Deflation von 1815-21 nach den napoleonischen Kriegen nie die Regierung ermutigt habe, eine Deflation der Preise um 30 Prozent durch eine deflationäre Depression durchzusetzen. Ricardo hat hier nachträglich seine Rolle in der mörderischen Deflationspolitik der Bank von England beschönigt, als habe er nur eine Deflation um 5 Prozent gefordert. Auszug aus einem Text der FED in Richmond (über einen Brief von Ricardo):
As he wrote in a September 1821 letter to John Wheatley, “I never should advise a government to restore a currency, which was depreciated 30 percent, to par; I should recommend ... that the currency be fixed at the depreciated value by lowering the standard [i.e., raising the par], and that no further deviations take place. It was [a] currency ... within 5 percent [of par] and not with a currency depreciated 30 percent, that I advised a recurrence to the old standard” (Ricardo [1821] 1951, IX, 73–74).
Zitiert nach der FED-Richmond: T. M. Humphrey: Classical Deflation Theory (pdf)
Die Zeitschrift für Industrie und Finanzwesen und „Der Deutsche Volkswirt“
Im Jahr 1908 wurde in Österreich mit finanzieller Unterstützung durch Siegfried Rosenbaum, Präsident der Anglo-Österreichische Bank, die Zeitschrift für Industrie und Finanzwesen gegründet. Sie wurde die Plattform zur Verbreitung der Austrian Economics und ihres Deflationismus vor allem während der Weltwirtschaftskrise. Ihr Gründer, der Nationalökonom Walther Federn, hatte den britischen Economist offiziell als Vorbild und inoffiziell vermutlich die angloamerikanischen Interessen als Auftraggeber.
Bei Wikipedia und in anderen Artikeln über den Economist werden Sie die üblichen Sprüche von wegen redaktioneller Unabhängigkeit finden. Aber der britische Economist war wie seine Herausgeber der britischen Politik verpflichtet. Hier zum Beispiel besonders dem Kriegsministerium:
A notable economist, Layton worked for the Ministry of Munitions during the First World War. In 1922 he was appointed editor of The Economist, a post he held until 1938 …
He was a member of the Liberal Party committee that produced 'Britain's Industrial Future', otherwise known as the 'Little Yellow Book'. He stood as a Liberal Parliamentary candidate, contesting the London University seat in 1929. Layton was again drafted in to work for the government during the Second World War, holding positions in the Ministry of Supply (from May 1940) and the Ministry of Production. Head of Joint War Production Staff 1942 to 1943. After the war, he served as Vice-President of the Parliamentary Assembly of the Council of Europe from 1949 to 1957.
Sir Walter Layton, 1922–1938 der Herausgeber des Economist
Für viele Autoren der österreichischen Zeitschrift folgte eine Karriere in den USA, wie etwa für die später in Harvard lehrenden Gottfried Haberler und Joseph Schumpeter; Friedrich August von Hayek kam zuerst an die LSE und später nach Chicago; Fritz Machlup und Oskar Morgenstern (Direktor am Österreichischen Institut für Konjunkturforschung) wurden Professoren der Princeton University; Paul Lazarsfeld war Rockefeller Stipendiat von 1933-35 und erhielt ein von der Rockefeller Foundation finanziertes Forschungsprojekt zuerst in Princeton und später an der Colombia University.
Der seit 1911 als Redakteur und von 1914 bis 1925 als Mitherausgeber wirkende Gustav Stolper übersiedelte 1925 nach Berlin und gründete dort die mit gleicher Ausrichtung arbeitende Zeitschrift Der Deutsche Volkswirt und einen nach dem Vorbild von Mises in Wien angelegten Gesprächskreis, dem Mitarbeiter aus dem deutschen Auswärtigen Amt und in späteren Jahren noch einflussreich werdende Politiker angehörten.
Von 1929-33 propagierte die Zeitschrift „Der Deutsche Volkswirt“ generell und ihr Redakteur Carl Landauer besonders einen angeblichen Kapitalmangel als Krisenursache. Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur und zur Beschäftigung von Erwerbslosen verteufelte der Deutsche Volkswirt als Inflationismus - die Wirtschaft müsse von selber aus der Krise finden. 1933 verkaufte Gustav Stolper seinen Deutschen Volkswirt an Hjalmar Schacht und emigrierte in die USA, wo er noch Berater für Herbert Hoover wurde.
Das Colloque Walter Lippmann 1938
Das Colloque Walter Lippmann (fr. für Kolloquium, Gespräch) fand vom 26. bis 30. August 1938 anlässlich einer Europareise des einflussreichen US-Journalisten in Paris statt. Nach längeren Diskussionen über das durch die Weltwirtschaftskrise öffentlich schwer beschädigte Ansehen des alten Liberalismus wurde auf diesem Kolloquium der Begriff des Neoliberalismus geprägt. Er sollte, wie sich bald zeigen würde, nur der Täuschung des Publikums dienen, aber die deutschen Ordoliberalen hofften damals wie heute auf eine echte Neubesinnung ihrer angloamerikanischen Freunde.
An dem Kolloquium nahmen aus Deutschland Alexander Rüstow (von dem die Bezeichnung „Neoliberalismus“ vorgeschlagen wurde) und Wilhelm Röpke teil, aus Österreich Friedrich August von Hayek und Ludwig von Mises, die anschließend die Chefideologen der neoliberalen Bewegung wurden, aber niemals vom alten Liberalismus abweichen wollten.
Um die Hintergründe zu sehen, müssen wir etwas ausführlicher auf diesen Walter Lippmann eingehen. Walter Lippmann wurde 1889 in New York als Kind einer deutsch-jüdischen Familie geboren, die jedes Jahr Ferien in Europa machte; der Vater war Kleiderfabrikant. Im Alter von 17 Jahren nahm er sein Studium an der Harvard University auf, wo er einen „Harvard Socialist Club“ gründete. Seine Dozenten waren George Santayana, William James und Graham Wallas; George Santayana hatte zusammen mit seinem Freund Charles Augustus Strong, der mit Elizabeth "Bessie" Rockefeller Strong, der Tochter von John D. Rockefeller, verheiratet war, den Harvard Philosophical Club gegründet. 1910 wurde Lippmann von Santayana zu seinem Assistenzprofessor für Philosophie ernannt. Santayana war allerdings ein Gegner des Liberalismus, für den sich Lippmann, sein Assistent bis 1911, später einsetzte. Santayana gab seine Stellung in Harvard 1912 auf, um in Europa zu leben, einige Jahre in Paris, dann Oxford - er bewunderte die englische Oberschicht - und zuletzt in Rom.
Ab 1910 arbeitete Lippmann auch mit dem vermögenden und damit unabhängigen und gefürchteten Journalisten Lincoln Steffens bei seinen Nachforschungen über die Korruption in den USA zusammen:
After President Theodore Roosevelt took office in 1901, he began to manage the press corps and to do so he elevated his press secretary to cabinet status and initiated press conferences. The muckraking journalists who emerged around 1900, like the muckraking Lincoln Steffens, were not as easy for Roosevelt to manage as the objective journalists, and the President gave Steffens access to the White House and interviews to steer stories his way.
Die Umstände lassen vermuten, dass Walter Lippmann als Roosevelts und über Strong gar Rockefellers Agent Lincoln Steffens an die herrschenden Kreise verraten hat; jedenfalls nahm nach 1910 dessen Berichterstattung über die Korruption ab und er verstrickte sich in revolutionäre Hoffnungen auf Mexiko und später Russland.
1914 gründete Lippmann mit Herbert Croly und Walter Weyl das Magazin The New Republic für die Ideen des Progessive Movement in den USA. Nach einer Abspaltung von der Republican Party des Präsidenten Taft hatte der ehemalige Präsident Theodore Roosevelt 1912 die Progressive Party gegründet, die man nicht mit einer linken Partei verwechseln darf. Das Progressive Movement war der linke Parteiflügel eines Republikaners, bemühte sich öffentlich aber um Ansehen durch die Unterstützung sozial engagierter Journalisten und Autoren und aus seinem Umkreis entstanden die Ideen für den New Deal. Bei den Präsidentschaftswahlen 1914 sorgte Lippmann in Absprache mit seinen britischen Freunden dafür, dass „The New Republic“ für Woodrow Wilson eintrat.
Von 1911 bis 1920 existierte in Washington ein House of Truth, von dessen Bewohnern und Besuchern einige in engstem Kontakt zur britischen Botschaft standen und Einfluss auf die Politik der USA nahmen, verstärkt nach dem Beginn des Krieges in Europa:
THE HOUSE OF TRUTH: HOME OF THE YOUNG FRANKFURTER AND LIPPMANN (pdf)
Über den berüchtigten Colonel House, den Drahtzieher der US-Politik im Hintergrund, knüpfte Lippmann enge Beziehungen zu Präsident Wilson und wurde dessen Berater während des Ersten Weltkriegs in der von Colonel House geleiteten Organisation The Inquiry und half bei der Formulierung von Wilsons trügerischem 14-Punkte-Programm. Bei Kriegsende war er noch als Geheimdienstoffizier in Frankreich und nahm zusammen mit Leuten wie John Foster Dulles im Gefolge Woodrow Wilsons an den Pariser "Friedensverhandlungen" teil.
Lippmann hatte sein ganzes Leben lang Zugang zu den herrschenden Oligarchen der USA und arbeitete für deren Ziele; seine Sekretärin Mary Price lieferte deshalb einem Spionagering für die Sowjetunion um Jacob Golos Informationen über seine laufenden Arbeiten und Themen.
Council on Foreign Relations
Walter Lippmann war auch an der Gründung des bis heute sehr einflussreichen CFR im Jahr 1921 beteiligt.
The earliest origin of the Council stemmed from a working fellowship of about 150 scholars, called "The Inquiry", tasked to brief President Woodrow Wilson about options for the postwar world when Germany was defeated. Through 1917–1918, this academic band, including Wilson's closest adviser and long-time friend "Colonel" Edward M. House, as well as Walter Lippmann, gathered at 155th Street and Broadway at the Harold Pratt House in New York City, to assemble the strategy for the postwar world. The team produced more than 2,000 documents detailing and analyzing the political, economic, and social facts globally that would be helpful for Wilson in the peace talks. Their reports formed the basis for the Fourteen Points, which outlined Wilson's strategy for peace after war's end.
These scholars then traveled to the Paris Peace Conference, 1919 that would end the war; it was at one of the meetings of a small group of British and American diplomats and scholars, on May 30, 1919, at the Hotel Majestic, that both the Council and its British counterpart, the Chatham House in London, were born.
Some of the participants at that meeting, apart from Edward House, were Paul Warburg, Herbert Hoover, Harold Temperley, Lionel Curtis, Lord Eustace Percy, Christian Herter, and American academic historians James Thomson Shotwell of Columbia University, Archibald Cary Coolidge of Harvard, and Charles Seymour of Yale.
In 1938 they created various Committees on Foreign Relations throughout the country. These later became governed by the American Committees on Foreign Relations in Washington, D.C.
The Council on Foreign Relations, a sister organization to the Royal Institute of International Affairs in London (now known as Chatham House), was formed in 1922 as a noncommercial, nonpolitical organization supporting American foreign relations.
Wiki: Council on Foreign Relations
Hier wird wieder die enge Verbindung der zukünftig so einflussreichen Neoliberalen mit den angloamerikanischen politischen Netzwerken und deren oligarchischen Strukturen sichtbar.
Die Mont Pèlerin Society der Neoliberalen
15 Teilnehmer des Colloque Walter Lippmann und viele neue Anhänger vor allem aus den USA gründeten am 8. April 1947 in der Schweiz die Mont Pèlerin Society, benannt nach dem Mont Pèlerin bei Vevey am Genfersee. Unter den Teilnehmern waren Maurice Allais, Walter Eucken, Milton Friedman, Friedrich August von Hayek, Frank Knight, Fritz Machlup, Ludwig von Mises, Karl Popper, Wilhelm Röpke und George Stigler. Der Zürcher Geschäftsmann Albert Hunold und Friedrich August von Hayek waren die Organisatoren und Drahtzieher. Der spätere Erfinder des Monetarismus, Milton Friedman, war von Anfang an dabei.
Hayek hatte im Jahr 1944 sein Buch „The Road to Serfdom“ publiziert, in dem jede Form von Sozialpolitik als Vorstufe für Sozialismus, Faschismus und Kommunismus diffamiert wurde, was ihm in den
USA gleich eine Millionenauflage verschaffte. Im Herbst 1945 traf Hayek sich in Zürich mit Wilhelm Röpke, der eine internationale Monatszeitschrift für die Ideen des Liberalismus gründen wollte.
Die Mont Pèlerin Society wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine der einflussreichsten Organisationen der Welt:
After World War II, planned economy, state intervention, and nationalizations were enjoying widespread success. Many were convinced that progress was to be achieved by intervention of the state.
The Mont Pèlerin Society, however, rejected these ideas, judging it indispensable to regenerate political freedom and a free market economy. Among its members were Ludwig Erhard, originator and
driving-force of the German miracle; Jacques Rueff, champion of the gold standard; Professor Hayek, author of the acclaimed book “The Road to Serfdom” and future Noble prize winner; Walter
Lippman, the celebrated journalist and essayist who wrote “The Good Society”; Milton Friedman, the future Noble prize winner, adviser to the American president, and inspiring force of the Chicago
school.
MPS: Übersicht über ihre Tagungen 1947-1998 (pdf)
Milton Friedman und seine Chicago Boys
An der von Rockefeller gestifteten Universität von Chicago begründeten die Professoren Frank Knight und Jacob Viner in den 1930er Jahren die Chicago School of Economics. Jacob Viner war während der Weltwirtschaftskrise ein bekannter Opponent von John Maynard Keynes und zur Zeit der Rooseveltregierung ein Berater von Henry Morgenthau.
Im englischen Wikipedia lesen wir über Milton Friedman folgendes:
Friedman graduated from Rutgers University in New Jersey, where he specialized in mathematics and initially intended to become an actuary. During his time at Rutgers, Friedman became influenced by two economics professors, Arthur F. Burns and Homer Jones, who convinced him that modern economics could help end the Great Depression. Friedman did graduate work at the University of Chicago, earning an M.A. in 1933. He was strongly influenced by Jacob Viner, Frank Knight, and Henry Simons.
Der Leser soll allen Ernstes glauben, dass die Ökonomen an der Universität von Chicago nach Hilfe zur Überwindung der Weltwirtschaftskrise suchten und dafür noch Mathematiker brauchten. Nun war allerdings Burns 1929 erst 25 Jahre alt und vielleicht noch etwas naiv, aber jedenfalls, wie es der Zufall, den es nicht gibt, so wollte, brachte er es von 1970-78 zum Chairman der FED in den USA. Burns wurde seinerzeit angegriffen, weil er nicht scharf genug gegen die Inflation vorgegangen wäre, aber die in Chicago verfluchten Keynesianer waren zu seiner Zeit noch zu einflussreich und konnten erst in den 70er Jahren mit Hilfe der Neomarxisten aus dem Licht der Öffentlichkeit gedrängt und bei gesellschaftskritischen jungen Menschen in Misskredit gebracht werden. Homer Jones wurde später noch Vizepräsident der FED von St. Louis, die sich unter seiner Führung scharf für die monetaristische Geldpolitik der FED in den USA einsetzte. Die maßgeblichen Leute sind immer ein ganz kleiner Kreis, dessen Mitglieder sich meist schon Jahre und Jahrzehnte vor der Übernahme wichtiger Ämter persönlich kennen (alles nur Zufall selbstverständlich). Henry Simons wollte in seinem Essay A Positive Program for Laissez Faire (1934) die Große Depression mit mehr Wirtschaftsliberalismus kurieren und wurde später ein Wegbereiter des Monetarismus an der Universität von Chicago.
Grundsätzlich kann man den Monetarismus schnell erläutern. Er besteht darin, dem Publikum einzureden, dass erstens um jeden Preis die Inflation bekämpft werden müsse; zweitens sei dies ganz einfach damit zu erreichen, dass die Notenbank halt weniger Geld in Umlauf bringe; drittens habe die Politik des knappen Geldes keinerlei Einfluss auf die Realwirtschaft und die vom Monetarismus ausgelöste Weltwirtschaftskrise sei die Folge von Kapitalmangel, überhöhten Löhnen und unzureichenden Profiten und vor allem von den faulen Arbeitslosen und durch einen überzogenen Sozialstaat verursacht.
Zu Beginn der 1980er Jahre wurde die Geldmengensteuerung der Monetaristen dann mit Hochzinspolitik (was denn sonst?) umgesetzt. Der damalige FED-Chef Paul Volcker verursachte mit bis auf 20% hochgetriebenen Zinsen für das Zentralbankgeld der FED eine mörderische Weltwirtschaftskrise mit Abermillionen Erwerbslosen in den USA, England, Europa und entsprechend vielen Toten in der Dritten Welt, die in der damit ausgelösten Schuldenkrise von Weltbank und IMF gezwungen wurde, soziale Leistungen für die Opfer der Krise zu streichen und öffentliches Eigentum zu Schleuderpreisen an globale Investoren zu verkaufen.
Natürlich hat von den Verantwortlichen nie jemand ernsthaft an die monetaristische "Geldmengensteuerung" geglaubt und von den Notenbanken wurde der Unsinn anschließend wieder abgestellt, nachdem er seinen Zweck erfüllt hatte. Dieser Zweck bestand einfach darin, absichtlich eine mörderische Depression der Weltwirtschaft zu inszenieren und dem Publikum so lange wie möglich zu erzählen, man würde doch nur nach den Regeln des Monetarismus die Geldmenge steuern.
Milton Friedman gegen die Austrians
Sehr spät in seinem Leben hat sich Milton Friedman schließlich doch noch von der Konjunkturtheorie der Austrians distanziert und diese für die schweren Folgen der
Weltwirtschaftskrise 1929-33 verantwortlich gemacht:
I think the Austrian business-cycle theory has done the world a great deal of harm. If you go back to the 1930s, which is a key point, here you had the Austrians sitting in London, Hayek and Lionel Robbins, and saying you just have to let the bottom drop out of the world. You’ve just got to let it cure itself. You can’t do anything about it. You will only make it worse. You have Rothbard saying it was a great mistake not to let the whole banking system collapse. I think by encouraging that kind of do-nothing policy both in Britain and in the United States, they did harm.
Mr. Market by Milton Friedman (Hoover Institution, 30. Januar 1999)
Milton Friedman über die Konzentration von Reichtum und Macht und die Gier
Ayn Rand: Neoliberalismus für die Hausfrau
Sie wird noch heute als große Philosophin der von ihr als Objektivismus benannten Schule gefeiert und ihre Schnulze auf den herrlichen Kapitalismus mit dem Titel Atlas Shrugged verkauft sich noch immer als Bestseller in den USA mit fast einer halben Million Stück allein im Jahr 2011.
Der Held ihrer Frauenschnulze ist ein toller Kerl von einem Kapitalisten, der allein den ganzen Globus auf seinen kräftigen Schultern trägt, obwohl er ständig von Politikern und Gewerkschaftern gehindert wird, der Menschheit das Heil in Gestalt des Kapitalismus zu bringen. Selbstverständlich ist er von höchster Moral erfüllt und würde niemals auch nur daran denken, in seinen Bergwerken und Fabriken für Hungerlöhne Frauen und Kinder zu Tode zu schinden; jedenfalls sind es allein die vom Staat errichteten Schulen, die ein solches Schreckensbild vom Kapitalismus in den Köpfen der Kinder verbreiten, darum braucht es private Schulen, in denen derartige Lehren über den Kapitalismus niemals die Köpfe der Kinder verwirren dürften: Die Lehrer würden vorher entlassen.
Für die in der US-Presse als große Philosophin gefeierte Ayn Rand sind Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen der Reichen nur ein verabscheuungswürdiger Diebstahl an denen, die unserer Gesellschaft allen Reichtum durch ihre Leistung schaffen. Wer arm ist, soll die gerechte Strafe für seine durch mangelnde Leistung selbstverschuldete Lage ertragen. Soziale Leistungen des Staates würden nur die Faulheit belohnen und fördern.
Der US-Politiker Paul Ryan und der ehemalige US-Notenbankchef Alan Greenspan waren allen Ernstes ihr Leben lang glühende Verehrer dieser den Kapitalismus verherrlichenden Schundliteratur und man darf, wie wir die US-Politik so kennen, durchaus vermuten, dass Alan Greenspan nur dafür überhaupt an die Spitze der FED protegiert wurde.
Der Feind aktuell: Neoliberale und ihre Organisationen
Think Tanks der Neoliberalen in den USA:
Cato Institute (Ed Crane, Charles und David Koch)
Libertarianism (Projekt von Cato)
Ludwig von Mises Institute (1982 zur Feier der Volcker-Weltrezession gegründet; propagiert die Austrian Economics seit 1995 mit der Mises Academy)
The Property&Freedom Society (Anarchokapitalism, Libertarianism: absolute Freiheit des Eigentums, keine Steuern und Gesetze und kein Sozialstaat, privates Geld)
Institute for Humane Studies (gegründet 1961 durch F. A. Harper, ein Mitglied der MPS seit 1947)
Friedrich August von Hayek Stiftung (1999 in Freiburg gegründet)
ECONWATCH (einzelwirtschaftliche
Trugschlüsse)
Internationale Organisationen der Neoliberalen:
The Mont Pelerin Society (MPS)
Institute of Economic Affairs (IEA) (britische Tochterorganisation der MPS, Denkfabrik der Thatcher-Politik)
Henry Jackson Society (britische Imperialisten, Adel, Intelligence und Neokonservative, Gründung 2005 in Cambridge)
Internationale Organisationen der Plutonomy:
Berggruen Institute on Governance (der "Investor" Berggruen kontrolliert einige Medien)
Council for the Future of Europe (Figuren wie Tony BLiar, Gazprom Schröder, Robert Mundell, Otmar Issing, Axel Weber und Kumpane)
Webadressen:
Econlib (Online-Bibliothek; Libertarier finanziert vom Liberty Fund)
Cafe Hayek (Don Boudreau, Russ Roberts)
Neoliberale Personen und Organisationen in Deutschland:
Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft e. V. (im Kuratorium die Talk-Show-Dauergäste Hans-Olaf Henkel und Arnulf Baring)
Ludwig-Erhard-Stiftung (Versammlung der bekannten Mietmäuler aus TV-Shows, Wirtschaftsressorts, Unis und Instituten von Tietmeyer bis Merz und Metzger)
Walter Eucken Institut (Freiburg, Hochburg der Hayek-Freunde, Lars P.
Feld will dringend die Staatsfinanzen durch Sozialabbau konsolidieren)
American Council on Germany (im Board Paul A. Volcker, führt die American Young Leaders)
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (US-gesteuerte Transatlantiker)
Wert der Freiheit gGmbH (Geschäftsführerin ist Dr. Karin Horn, u.a. Vorsitzende des Vorstands der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft und Vorstandsmitglied der Herbert Giersch Stiftung, der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft sowie des Council on Public Policy)
Jenaer Allianz zur Erneuerung der Sozialen
Marktwirtschaft (verleihen den ORDO-Preis und den Walter Eucken Preis an alle Freunde der Freiheit der Ausbeuter)
Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft e.V. (schon 1953 als Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft von sogenannten "Wissenschaftlern" und finanzierenden Unternehmern gegründet)
Open Europe Berlin (wollen die Bedrohung der Freiheit durch den Sozialstaat bekämpfen und in der EU für die unbeschränkte Freiheit der Ausbeutung der Arbeiter eintreten)
Kritiker des Neoliberalismus
Erik S. Reinert, “Neo-classical economics: A trail of economic destruction since the 1970s”, real-world economics review, issue no. 60, 20 June 2012, pp. 2-17.